„Gott, du bist mein Gott, den ich suche. Es dürstet meine Seele nach dir, mein ganzer Mensch verlangt nach dir, aus trockenem, dürren Land, wo kein Wasser ist.”
(Psalm 63,2)
Wie kann man sich nur so sehr nach Gott sehnen! Ist das nicht erstaunlich – solch eine Sehnsucht? Nun ja, diese Worte sind auch uralt. Vielleicht war das mit Gott und den Menschen damals irgendwie anders. Und ob der Beter das wirklich so meinte? Wäre es nicht näher liegend, sich nach etwas Konkretem zu sehnen oder um etwas zu bitten, das mir in meiner Not gerade fehlt? Aber vielleicht musste der Beter das ja so sagen – warum auch immer. Vielleicht, um Gott zu ehren? Oder um ihm einen Gefallen zu tun? Aber hätte Gott das tatsächlich nötig? Ein allmächtiger Gott ist auf solche Ehrerbietung doch bestimmt nicht angewiesen.
Die Worte klingen so eindringlich und unmittelbar, dass sie nur aus tiefstem Herzen kommen können. So spricht nur, wer sich in einer echten existentiellen Not befindet. Ehrerbietung klingt anders. Da leidet tatsächlich jemand unter seiner Sehnsucht, unter seinem Durst nach Gott.
Aber positiv gewendet: Der Beter muss eine Ahnung, eine Vorstellung von der Erfüllung seiner Sehnsucht haben. Oder mehr noch: Er hat Gottes Gegenwart bereits erfahren – vielfach und als etwas Wunderbares. Ja, er rechnet mit Gott, der für ihn das Ziel seiner Sehnsucht ist.
Mag mir diese Erfahrung des Beters auch fremd sein, so eindringlich wie er sich sehnt, macht sie mich neugierig. Sie erlaubt mir indirekt den Blick auf eine Wirklichkeit, von der ich noch nicht gekostet habe, die aber wunderbar sein muss. Oder habe ich so etwas auch schon einmal erlebt, und nur meine Erinnerung daran ist verblasst? Vielleicht ist diese Wirklichkeit anders als ich mir vorstelle und gewiss auch nicht frei von Entbehrungen, aber sie scheint von etwas durchdrungen zu sein, von einem Licht, von einer Kraft, die man nicht mehr missen möchte, hat man sie einmal erfahren.
Guter Gott, gib mir, dass ich neugierig bin und neugierig bleibe auf die jeden Tag neue Erfahrung Deiner Gegenwart. Gib mir, dass ich sagen kann: Gott, Du bist mein Gott, den ich suche. Es dürstet meine Seele nach dir!
S.H., 21.3.2020