Sehnsucht nach mehr

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Sehnsucht nach mehr – ist das so erstrebenswert? Immer mehr und mehr und noch mehr – kann das gut gehen? Vielleicht ist es besser, mich früh genug darin zu üben, mir die Sehnsucht abzugewöhnen. Zufrieden sein mit dem, was ist. Was kann an einer „Sucht“ schon gut sein?

Und da ist die Angst, dass die Wirklichkeit irgendwann auf meinen Träumen herumtrampelt, auf meiner Sehnsucht. Das ist schmerzhaft. Dann doch lieber keine Träume und die Sehnsucht klein halten? Oder vielleicht ein kontrolliertes Sehnen? Nur so viel, dass ich nicht enttäuscht werden kann und sich meine Seele keine allzu großen Schrammen einfängt.

Weiß gar nicht, nach was ich Sehnsucht habe und ob überhaupt. Bin, glaube ich, ganz zufrieden mit meinem Leben, dem Hier und Jetzt. Habe alles, was ich brauche. Ich habe keine Sehnsucht – oder zumindest komme ich selten dazu, darüber nachzudenken. Warum sollte ich das auch tun, so ohne Anlass? Und was mag da zum Vorschein kommen, wenn ich tief in mich hineinhorchen würde? Ungewiss. Könnte mein Gleichgewicht stören, mich aus der Ruhe bringen. Oder Schlimmeres. Außerdem klingt „Sehnsucht“ irgendwie zu ernst, zu schwer. Da fehlt mir die Leichtigkeit.

Manchmal spüre ich aber, dass mir etwas fehlt. Was da fehlt? Schwer zu sagen. Vielleicht ist „fehlen“ auch ein zu starkes Wort. Ist es nicht eher ein Unbefriedigt-Sein? Ein Gefühl, dass mein Leben – ich bin gesund, leide keine materielle Not, kann nicht klagen – trotzdem irgendwie eine Unwucht hat? So ein „Das-kann-doch-nicht-alles-sein“-Gefühl?

Ja, ich sehne mich doch nach „mehr“! Nach einem Mehr, das ganz anders ist, das meine Sehnsucht stillt. Aber gibt es das überhaupt, dieses andere Mehr und kann es meinen Durst tatsächlich löschen? Und würde mir dann nicht etwas fehlen, wenn ich mich nach nichts mehr sehne? Sehnen als Triebfeder? Das gehört wohl zum Leben einfach dazu. Sehnsucht als der Anfang von allem. Vielleicht sollte ich das Sehnen in mir kultivieren, Mut haben, es zu betrachten und ihm Raum geben – mich nach dem Sehnen sehnen.

Finden Sie sich darin wieder? Wie geht es Ihnen mit der Sehnsucht?

S.H., 10.7.2019

Kommentare

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  • Sehnen verbinde ich mit einer Unbegrenztheit. Sehnen ist ein Wunsch, der meine Möglichkeiten übersteigt. Feinde des Sehnens sind für mich die Sachzwänge, egal ob ich sie mir selbst erfunden habe oder ob sie als gegeben vorliegen, sei es aus Politik, Gesetzgebung oder einer Spielregel.
    Sehnen, das lässt mich immer wieder spüren, dass mein Leben eingebettet ist in ein großes Ganzes, oder zumindest in etwas Größeres, das meine Vorstellungskräfte übersteigt. Insofern bringt mich Sehnen nicht automatisch mit Gott in Verbindung. Aber – wie immer im Christentum – gibt es eine Frage nach meiner mir selbst gegebenen letzten Antwort: Wie geht es weiter nach meiner Antwort? Warum gebe ich mir nur die bisherige Antwort? Und sehne ich mich weiter…

  • Herzlichen Dank für den Kommentar!

    Unbegrenztheit – ja, das verbinde ich auch mit dem Sehnen. Sehnen ist maßlos. Sachzwänge sind für mich aber nicht notwendigerweise Feinde des Sehnens, können aber dazu beitragen, dass ein bestimmtes (Teil-)Sehnen unerfüllt bleibt. Der Gefangene träumt von der Freiheit und der ihm verwehrte Weg nach draußen intensiviert sein Sehnen. Anders sieht es allerdings bei den selbst gegebenen Sachzwängen aus. Das können durchaus Feinde des Sehnens sein.

    Sehnen muss nicht automatisch mit Gott in Verbindung bringen – da haben Sie recht, allerdings nur, wenn ich darüber nachdenke. Gefühlt – ist es für mich Gott, der sich in meinem Sehnen widerspiegelt. Da ahne ich etwas von der Einbettung in ein großes Ganzes.

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